das schwarze Brautkleid

Das schwarze Brautkleid


 

Alles begann an einem Wintertag im Jahre 1780. Alice war auf dem Weg zu ihrer Mutter, die seit einigen Jahren an Cholera litt. Sie begegnete dem Dorfpfarrer, dem Bäcker und ging vorbei an der königlichen Hofgarde. In der Luft lag der schwere Duft von Armut, Tod und Elend. Ratten rannten an den Wegesrändern entlang und in den Ecken lagen die Opfer, die die Pest bereits gefordert hatte. Doch irgendwie hatte sie die ganze Zeit das Gefühl, als würde sie von einer unheimlichen Macht verfolgt werden. Kurz vor dem Haus ihrer Mutter lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie zögerte einige Minuten, bevor sie die Tür öffnete. Schaute sich noch einmal um und ging ins Haus. Es war kalt im Haus. Man konnte den Atem sehen und das knarren der Holzdielen hören. Und es war still im Haus, zu still. Alice ging den langen, schmalen Gang entlang, der zum Schlafzimmer ihrer Mutter führte. Sie öffnete die Tür und ein Schauen von Angst, Entsetzen und Kälte nahm sie gefangen. Ihre Mutter lag regungslos auf ihrem Bett, mit weit aufgerissenen Augen und dem Mund so weit geöffnet, als wolle sie schreien. Die Finger hatten sich in das Bettlagen verkrampft und ein Ausdruck von Angst lag auf ihrem Gesicht. Was war hier geschehen? Was oder wer hatte ihrer Mutter in ihren letzten Minuten eine solche Angst gemacht? Erneut spürte Alice einen kalten Windhauch und glaubte wieder, verfolgt zu werden. In ihrem Augenwinkel sah sie eine schwarze Gestalt, die hinter ihr stand. Alice nahm ihren ganzen Mut zusammen, und dreht sich um. Doch da war niemand. Was war das gewesen? Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie deckte ihrer Mutter ein Bettlagen über das Gesicht, sprach ein Gebet und verließ das Haus. Ihr nächster Weg führte sie zum Pfarrer und zum Totengräber. Drei Tage danach wurde ihre Mutter auf dem alten Friedhof hinter der Kirche beigesetzt. Und wieder verspürte Alice diesen kalten Schauen und wieder sah sie im Augenwinkel diese schwarze Gestalt. Doch wieder war diese Gestalt verschwunden, als Alice sich umdrehte. Als Alice in dieser Nacht schlaflos in ihrem Bett lag, dachte sie über vieles nach. Über zu vieles. Plötzlich hörte sie eine leise und flehende Stimme, die ihr seltsam vertraut vor kam. Es war die Stimme ihrer Mutter, die Alice um Hilfe anflehte. Sie sprang aus ihrem Bett auf, ihr Gesicht war kreide bleich vor Angst. Was sollte sie tun? Sie stellte Kerzen auf und platzierte an jeder Ecke Kreuze und Reliquien. Dies verschaffte ihr ein bisschen Ruhe und sie versuchte das Geschehene zu vergessen. Im Frühjahr 1781 besuchte sie das erste Mal wieder das Grab ihrer Mutter. Da sie zuvor noch einige Erledigungen zu besorgen hatte, war sie erst am Abend auf dem Friedhof. Die Dämmerung hatte bereits begonnen und Alice saß am Grab ihrer Mutter, dachte an vergangene Zeiten und vergaß dabei die Zeit. Und plötzlich war dieses Gefühl wieder da, welches sie verspürte, als sie im Jahr 1780 vor dem Haus ihrer Mutter stand. Irgendjemand beobachtete sie. Doch etwas war anders. Sie fühlte sich nicht wie damals bedroht, sondern verspürte eine ungewohnte Art von Sicherheit. Langsam drehte sie sich um und hinter ihr stand ein edler Herr. Er schaute sie an, nahm sie behutsam an die Hand und führte sie vom Friedhof weg. Die ganze zeit sprach er kein Wort mit ihr. Wo brachte er sie hin? Er brachte sie nach Hause, und erst als sie vor ihrer Wohnung angekommen waren sprach er mit ihr. Er drehte ihr den Rücken zu und sagte „Sie waren in Gefahr“! Als Alice sich umdrehen wollte, um nach dem Grund zu fragen, war der edle Herr verschwunden. Was war das? Träumte sie? War sie krank und hatte Illusionen? Sie wollte diese Begegnung vergessen, doch tief in ihrem inneren konnte sie das nicht. Als sie in der Nacht von einem seltsamen Geräusch geweckt wurde, traute sie ihren Augen kaum. An der Tür hing ein schwarzes Brautkleid. Sie versteckte sich in der äußersten Ecke ihres Bettes. Wie kam dieses Kleid hier her? Plötzlich klopfte es an ihre Tür. Und da war er wieder. Der edle Herr im dunkelroten Gehrock, Zylinder und Gehstock. Die Augen ein tiefes dunkelbraun und schwarze Haare. „Sie sind in Gefahr! Kommen sie mit mir!“ Er nahm ihre Hand und bevor sie nach draußen gingen, brannte er das Brautkleid an. Er brachte sie in sein Haus, wo sie sich sicher fühlte. Doch in der dritten darauf folgenden Nacht geschah etwas, was Alice für immer verändern sollte. Es war eine stürmische Nacht und ein starkes Gewitter tobte. Der edle Herr saß in der Ecke und wachte über die schlafende Alice. Plötzlich gingen alle Kerzen aus, die Fenster sprangen auf und ein kalter Wind erfüllte den Raum. Ein Blitz fuhr durch das Zimmer und vor Alice stand eine große, schwarze Gestalt. Dies alles kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Doch in Wirklichkeit war es nicht einmal eine halbe Stunde. Also die Kerzen wieder angingen, die Fenster sich wie von Geisterhand wieder schlossen und auch die Kälte den Raum verließ, war der edle Herr verschwunden. Doch an der Wand hing das schwarze Brautkleid. Nun wusste Alice keinen Ausweg mehr, zog das schwarze Brautkleid an und schaute in den Spiegel. In einer, mit Blut geschriebenen Zeile auf dem Spiegel stand „Friedhof“. Und wie von einer fremden Macht gesteuert, ging sie hinaus, lief durch die Dunkelheit und durch den Regen, bis sie am Friedhof angelangt war. Dort legte sie sich neben das Grab ihrer Mutter und schlief erschöpft ein. Doch schlief sie nicht lange. Eine kalte Hand packte sie, riss sie hoch in die Luft und nahm ihre Seele in sich auf. Diese schwarze Gestalt, die sie seit dem Tod ihrer Mutter verfolgte war ein Vampir, der sie bereits seit längerer Zeit beobachtet hatte. Seit jener Nacht wurde Alice an den Tagen nie mehr gesehen. Nur in den Nächten sah man eine junge Frau in einem schwarzen Brautkleid durch die Straßen gehen!


 

Ende


(c) by Lady Vampire

 
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