Nennt uns Vampire

 


Ihr...,
Ihr seid spielende Kinder in allem,
und nicht Eurer Spiele Regeln achtend
ging ich in Euer Netz

Wessen immer
Ihr mich und meine Art beschuldigt,
unser Dasein öffnet das letzte Portal,
dahinter unsereiner über Euch hinaus wächst!

Ihr last kein Buch der Welt siebzig Male,
und kanntet keinen Eurer Philosophen selbst,
seid hohl und leer trotz Doktorgrad und - Tietel
und blasse Schatten blos sind Eure Künste;
Mythen, Epen, Poesien.

Bevor sich Euer Ikarus
auf seinen Weg zur Sonne gemacht,
war einer von uns am Monde schon erfrohren. . .
Ein karges Menschenleben haben Eure Dichter Zeit,
ein Epos zu Papier zu bringen,
ich aber kenne solche,
die ganze hundert lange Jahre lang
bloße vier Zeilen überdachten,
um sie an Ende durchzustreichen!

Nennt uns Vampire,
doch hinter uns'ren Lidern tosen Geschichten,
die Ihr nie zu ersinnen vermöchtet. . .

Verteidigung
kann meiner Worte Sinn nicht sein.
Denn ich habe mein Wesen mir so wenig vorzuwerfen
wie Ihr das Eure Euch.

Und steh vor diesem Tribunale ich auch nicht als einer Eurer Art,
ist doch Satan nicht mein Pate.
Denn Euer Teufel hat so wenig
wie Euer Gott mit mir im Sinn. . .

Ihr aber webt uns wider Euere Religion
da wir uns darein nicht fügen.
Allein, es ließen sich Paläste streichen
mit dem Blut das bis zu diesem Tage
im Namen Eurer Kirche floss.
Fremd sind wir einander im Glauben,
ob auch an meiner Wiege
einer Eurer Priester stand.
Bis zu jener dunkelroten Stunde
war ich nicht weniger Mensch als Ihr. . .

Nennt uns Vampire,
wir sind, was Ihr zu sein nicht wagt.
Nicht einer Eurer Söhne
hinterließ in mir seine Spuren,
nicht Herz noch Geist erinnern einen Namen.
Der Einzige, den ich niemals vergaß
ist jener, der mich biss,
und in meinem Blute jene Nacht
trieben gemeinsam wir auf düsterrote Ozeane,
eine Galeere aus Fleisch,
hilflos den Stürmen ausgeliefert.
Er stillte seinen Hunger
und fachte mir den meinen an
und seinem tiefsten Kusse weihte ich mein Leben.
Nie sah ich Ihn wieder,
in meinem Herzen aber hat er Ewigkeit
und in Ehren halt ich sein Geschenk.

Dies ist, wie unsereiner fühlt.
Euer Hassen und Lieben belächeln wir stumm,
denn klein pflegt Ihr zu lieben und zu leben.
Doch wir lächeln im Dunkeln,
Euch nicht zu beschämen.

Nennt uns Vampire,
wir sind die fleischgewordene Nacht.
Niemand, der je einen Vampir geküsst
wird sich nach Euern schalen Lippen länger sehnen.
Jede Eurer kleinen Leidenschaften
bekommt hier ein anderes Gesicht
und Nacht liegt ewig
über jemem düsterroten Ozeanen
in denen man abermals und wieder
Nacht für Nacht ertrinkt.

Nennt uns Vampire,
wir sind jene verbotenen Träume,
die Ihr so abergern verjagt.
So einfach aber
wie die Fledermäuse Eurer Krypten
werdet Ihr uns nicht vertreiben.
Denn wir sind nicht Ratten noch Mäuse,
wir sind, was Ihr wärt, wärt Ihr wahrhaftig!

Nennt uns Vampire,
doch in unseren Zähnen spiegelt sich Eure Angst,
länger als ein Leben in Euch selbst gefangen zu sein. . .
Denkt nicht, wir täten es gerne.
Es widert uns an,
das Blut von Kreaturen wie Euch zu trinken. . .

Nennt uns Vampire,
jene, die wahrhaftig sind!

(von: Christian von Aster)

 
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